Der Wille zur freien Entfaltung ist größer geworden

von Stef Manzini (Kommentare: 1)

Bild: Stef Manzini

Roland Biniosek (RB) sitzt seit acht Jahren im Überlinger Gemeinderat. Davon fünf Jahre für „die Linke“, für die er auch im Kreistag saß, und jetzt fraktionslos, denn ursprünglich gewählt für die BÜB+ endete diese „Episode“ 2021 im Desaster.

Biniossek nennt seine Haltung zu „Corona“ als ausschlaggebend für seinen Quasi-Rausschmiss aus der BÜB+. Die „Rechts-Vorwürfe“ seiner ehemaligen Fraktions-Freunde, Kristin Müller-Hausser und Dirk Distel, gegen „die Basis“, in die der Politiker 2021 eintrat, sind für ihn haltlos und lediglich vorgeschoben. Der Mann, der die Beschränkungen der Grundrechte aufgrund der „Corona-Maßnahmen-Politik“ ablehnt, und als einziger Überlinger Stadtrat mit den „Maßnahmen-Kritikern“ der "Montagsdemonstrationen" sprach, wurde von seinen Fraktions-Kollegen zum Austritt aus der BÜB+ genötigt. Ein „Eigentor“ für politische Gruppierung, die dadurch ihren Fraktionsstatus verlor. Wer an dieser Stelle nun Biniosseks gewohntes Austeilen gegenüber Stadtratskollegen und die Überlinger Stadtspitze erwartet hat wird enttäuscht und überrascht sein. Ungewöhnlich milde fällt das Urteil des ehemaligen „Quertreibers“ gegenüber OB Zeitler, der Verwaltung, und seinen Ratskollegen aus. Biniossek ist des Lobes für sie voll und zeigt sich beeindruckt und erfreut.

Roland Biniossek empfängt die stattzeitung.org zum Sommerinterview in seinem Domizil in Hödingen, „gemietet nicht gekauft“ hat er zu seiner Wohnung an anderer Stelle einmal betont. Der Gastgeber serviert Espresso, typisch Linker natürlich in der „Bialetti“, der original italienischen Espressokanne, dazu gibt es Vanilleeis mit Heidelbeeren. Biniossek ist nicht nur gut drauf, er serviert zum Eis obendrauf noch einen Witz: „Apropos warm duschen, die Grünen werden wir in Zukunft wohl am Geruch erkennen“. Der neue „Basis-Mann“ über „Rechtsvorwürfe“ der unversöhnlichen Ex-Partei-Freunde, Corona-Maßnahmen im Herbst, das neue „Kuscheln“ mit der Stadtspitze und über den Menschenwillen zur freien Entfaltung.

s!!z: Herr Biniossek hier kommt gleich zu Anfang die obligatorische Frage der Sommerinterviews, haben Sie schon Ihren Duschkopf getauscht?

RB: „Der wurde vor ein paar Jahren gewechselt, also kein Tausch. Ich dusche im übrigen ganz normal weiter“. (Biniossek lacht und erzählt den Witz mit den „müffelnden“ Grünen, wie im Vorspann bereits aufgeschrieben).

s!!z: Sie wurden im letzten Jahr von Ihren beiden BÜB+-Ratsfreunden aus dieser Gruppierung gedrängt, die Begründung war ihr Eintritt in die Partei „die Basis“, verbunden mit Vorwürfen, Ihre neue Partei befinde sich in einer sogenannten „Rechten Ecke“. Was sagen Sie dazu und haben Sie als Mann mit dem politischen Herz ganz links diese Vorwürfe getroffen?

RB: (Der Stadtrat wirkt tiefenentspannt, was eventuell an seinem zurückliegenden Urlaub in Dalmatien liegen könnte, er schmunzelt dazu und sagt, dass man auf dem Flug dahin keine Masken tragen musste, wäre für ihn ein Grund für die Wahl der Fluglinie gewesen)
„Nein das hat mich nicht getroffen und ist ja auch ein haltloser Vorwurf. Vielmehr konnten die damaligen BÜB+ Stadträte nicht mit meiner kritischen Haltung zu den „Corona-Maßnahmen“ mitgehen, dass hat sich dann hochgeschaukelt. Ich war beispielsweise strikt dagegen, dass wir im „Hallo Ü“ als Fraktion Werbung für die „Corona-Schutz-Impfung“ machen, denn diese Entscheidung ist eine reine Privatsache.“

s!!z: Gab es in der Zwischenzeit denn eine Versöhnung mit Ihren ehemaligen BÜB+-Freunden, Kristin Müller-Hausser und Dirk Diestel?

RB: „Nein, keine Versöhnung, aber an mir lag das nicht. Mein Angebot war da, aber die beiden wollten es nicht. Nun sind wir eben einfach Gemeinderatskollegen“.

s!!z: Ihr erzwungener Austritt aus der BÜB+ kostete die Gruppierung den Fraktionsstatus, verbunden mit dem Verlust der Mitwirkung in vielen Ausschüssen. Wie fühlt es sich nun für Sie im Gemeinderat an, so ganz alleine dazustehen?

RB: „Das fühlt sich gut an, weil der Gemeinderat im Prinzip in Ordnung ist, und damit völlig anders als in der letzten Legislatur. Junge fleißige und politisch sehr erfahrene Mitglieder arbeiten sehr sachlich miteinander. Daran hat Oberbürgermeister Jan Zeitler einen gewichtigen Anteil mit seiner souveränen Führung der Sitzungen. Es geht insgesamt sehr kollegial zu, mit wenig persönlichen Angriffen. Wir beschränken uns auf das Kommunale, also kein Corona, kein Krieg“

s!!z: Sie standen auf der Hofstatt mitten unter den Demonstranten vom Demokratischen Widerstand bei den angemeldeten Montagsdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen-Politik und für die Grundrechte. Alle anderen Ratskollegen taten das nicht. Es wurden seitens einiger Stadträte Anschuldigungen laut, unter den Demonstranten seien „rechtsradikale Extremisten“, was sagen sie dazu?

RB: „Über die sogenannten Corona-Gegner wurde nie im Gemeinderat gesprochen. Es hat sich aber schon im Gemeinderat rumgesprochen, dass das Argument „Rechts-Extrem“ hier auf uns in Überlingen nicht zutrifft. Dennoch erwarte ich auch in Zukunft nicht, dass sich ein anderer Ratskollege zu den Demonstranten stellt, geschweige eine Entschuldigung für die Vorwürfe. Ich habe diese Entscheidung für mich getroffen, und auch kein Problem damit, ganz im Gegenteil. Die Meinungs-Vielfalt ist kein Nachteil unserer Gesellschaft, viele Strömungen sind gut, das wissen wir gerade auch bei der Basis. Wir sollten jedoch drei bis vier Themen bei der Basis fokussieren, sonst laufen wir in eine Komplexitätsfalle.“

s!!z: Wir gehen jetzt in den Herbst 2022, was erwartet uns, Stichwort Protestbewegung, Corona, kalte Wohnungen, hohe Preise für Energie, Lebensmittel und Benzin. Viele Menschen müssen mit einem starken Verlust ihres bisherigen Lebensstandards rechnen, die Armut wird größer, wie beurteilen Sie also die direkte Zukunft?

RB: „Mitte/Ende September geht es wieder los mit der Impfkampagne und der Maskenpflicht. Ich halte selbst Schulschließungen für nicht ausgeschlossen. Die Frage ist doch, gelingt es die Menschen wieder ins Gatter zu sperren oder ist der Menschenwille zur freien Entfaltung diesmal stärker. Ich denke das ist so. Eine kritische Masse aufgeklärter Menschen ist jetzt da, wir werden also sehen.“

s!!z: Aktuell beschäftigt uns sehr der sogenannte Ukraine-Krieg, viele Menschen haben Angst vor einem Atomkrieg. Sie kommen aus der Zeit der Friedensbewegung, bestimmt hatten Sie damals auch einen Aufkleber „Atomkraft - Nein Danke“ an Ihrem Auto. Haben Sie Angst vor einer unkontrollierten Ausweitung des aktuellen Kriegs in Europa?

RB: „Die Zuversicht das wir von kompetenten Menschen regiert werden schwindet. Ich sehe, dass sich mehr Protest gegen die Bundesregierung aufbaut. Wenn die Regierung jedoch befürchten muss einzubrechen, dann könnte es durchaus sein, dass sie rabiat werden.“

s!!z: Was war in Ihrer zurückliegenden Arbeit im Gemeinderat für Sie ein persönliches Highlight?

RB: „Mir gehen meine Themen aus, weil fast alles umgesetzt wurde, Sozialpass, Wohnbau mit sozialer Quote, Verkehrsberuhigung in der Innenstadt. Alles das habe ich stets eingefordert und dafür habe ich gekämpft. Dafür waren die Herren Zeitler und Kölschbach (Oberbürgermeister und Baubürgermeister) sehr wichtig. Es ist für mich sehr angenehm, dass die Spitze der Stadtverwaltung sehr kompetent aufgestellt ist, das gilt auch für die Fachbereichsleiter. Das macht die Zusammenarbeit angenehm und leichter“.

s!!z: Kommen wir direkt vom Höhepunkt zum Tiefpunkt, was war besonders anstrengend und unbefriedigend für Sie?

RB: „Naja, die mehrfachen Versuche mich aus dem Hallo Ü rauszudrängen durch die Veränderung des Redaktions-Statuts. Der letzte Versuch war 10 Tage vor der Wahl zum Überlinger Gemeinderat, aber das hat uns damals sogar noch Stimmen eingebracht, weil die Menschen ja nicht dumm sind, die das mitkriegen“.

s!!z: Was sagen Sie zur neuen Elektro-Mobilität in Überlingen namens „TIER“, gemeint sind die 250 E-Roller und 50 E-Bikes, die jetzt überall herumstehen und auch herumliegen?

RB: „Ich bin nicht im Technik-Ausschuss, von dem her ist die Diskussion an mir vorbeigegangen. Die Dinger stehen aber in der Tat ziemlich wild herum. Es fehlen mehr zentrale Punkte, wo sie stationiert werden könnten. Ich halte das Ganze auch ein Stück weit für eine Modeerscheinung mit diesen E-Rollern“.

s!!z: Werden Sie 2024 erneut für den Stadtrat Überlingen kandidieren und dann von vorne herein für „die Basis?

RB: „Ja, ich werde kandidieren, wir haben ja mit der Basis im Bodenseekreis schon über 320 Mitglieder. Ich bin sehr zuversichtlich für die Basis, der politische Raum ist weit offen und eine Seite des Spielfelds ist praktisch nicht besetzt. Da stehen jetzt die Basis und die AfD“.

s!!z: Herr Biniossek, ich danke Ihnen sehr für dieses Interview.

Das Exclusiv-Interview der stattzeitung führte Stef Manzini Anfang August.


Roland Biniossek ist seit 2014 Mitglied des Überlinger Gemeinderats. Fünf Jahre davon war er bei der Partei „die Linke“ und saß für sie auch im Kreistag des Bodenseekreises.

Biniossek wurde am 14. Dezember 1951 in Bad Peterstal im Schwarzwald geboren und arbeitete nach seinem Studium, das ihn nach Heidelberg und Karlsruhe führte, zuerst im Management in einem Unternehmen der Metallindustrie und danach als Geschäftsführer eines Unternehmens für biologische Hanfprodukte .

Für die politische Gruppierung BÜB+ (Bürger für Überlingen), die sich aus dem Protest gegen die Abholzung der Platanenallee anlässlich der Landesgartenschau bildete, stand er für das +. Die BÜB+ zog mit Kristin Müller-Hausser, Dirk Diestel und Roland Biniossek bei den letzten Gemeinderatswahlen 2019 in den Überlinger Gemeinderat ein. Seit 2021 ist Roland Biniossek Mitglied der Partei „die Basis“ und möchte für diese Partei auch zu den kommenden Kommunalwahlen antreten.


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Kommentare

Kommentar von Bernd Wiese |

Vom Saulus zum Paulus?
Wenn man wie ich sich seit langen jahren mit unserer lokalpolitik beschäftigt, kann man sich nur über die aussagen des interviewten wundern.

Roland Biniossek ist weder von seinen damaligen BÜB+ -Kollegen herausgedrängt worden, noch hat seine abweichende Haltung in Sachen Corona dazu beigetragen. (es wäre übrigens schön, ihn irgendwann mal wieder auf unseren Montagsdemos zu sehen). Nachdem er (nach Aussage der BÜB+) bereits Anfang 2021 in den Vorstand der Partei "Die Basis" gewählt wurde, dies seinen bisherigen Wählergemeinschafts-Kollegen im GR aber erst im Sommer 2021 mitgeteilt habe, hat man ihn gebeten, sich zu entscheiden, mit dem bekannten Ergebnis. es ist m.E. nachvollziehbar und ich denke, daß es andere Parteien auch so oder ähnlich gehandhabt hätten.

Leider zieht es sich im politischen werdegang von roland biniossek durch: Erst in der Partei "Die Linke", in der er genauso sein Ding gemacht hat (fragen sie mal seine damalige GR-Kollegin...), dann nach nur 2 jahren in der BÜB+, die er mitbegründet und für die er sich zunächst enorm eingesetzt hat und deren Programm er bis dahin mitgetragen hat.
Doch auch da wieder zahlreiche Alleingänge und wiederholte Scharmützel mit dem jetzigen OB, wie auch bereits mit der früheren OB`in. "Immer druff" war sein Leitspruch, auch wenn dadurch seine GR-Kollegen in einem unguten Licht dastanden.

Und dann der neue Schmusekurs mit OB Zeidler, der postwendend nach Austritt aus der BÜB+ einsetzte. wie glaubwürdig ist das denn?
Aus ihrer Zeit beim Südkurier hat die interviewerin die zahlreichen Konflikte, die er ausgelöst hat, miterlebt, eine Nachfrage in dieser Hinsicht findet man leider hier vergeblich.
Es darf daher gefragt werden, warum nicht? Und es darf vermutet werden, daß sowohl von seiten der "Basis" als auch von Seiten von Roland Biniossek das Kalkül besteht, durch ihn ein Aushängeschild zu haben, um die Chancen zu verbessern, bei der kommenden Wahl in den GR zu kommen, was vermutlich wiederum u.a. die stattzeitung freuen würde.
Alles nachvollziehbar (auch ich habe die Basis bei der letzten Wahl gewählt), aber ich sehe die Gefahr, daß der Partei "Die Basis" demnächst das gleiche widerfährt wie den bisherigen Parteien, in denen er sich in den Mittelpunkt gestellt hat.

Ich möchte betonen, daß ich durch diesen Kommentar lediglich den politischen Werdegang des Interviewten betrachten wollte, ohne zu verschweigen, daß er auch manches auf den Weg gebracht hat für unsere stadt und mir seine Unbequemheit sogar mitunter sympathisch war. Privat sind wir seit langem lose freundschaftich verbunden und ich hoffe, daß das trotz dieses Kommentars auch so bleiben wird, denn ich weiß, daß er zwar austeilen kann, aber auch einstecken, wenn es der Sache dient. In diesem Sinne habe ich versucht, der Sache zu dienen und nach reiflicher Überlegung und aus einem Wahrheitsempfinden heraus diese meine Bedenken zu äußern, um etwas zu ergänzen, was m.E zu kurz gekommen ist in diesem Beitrag und danach rief, auch eine andere begründete Sichtweise zu berücksichtigen, die der Bewußtseinsbildung dienen soll.

Ich wünsche dem Projekt der stattzeitung alles Gute, wir bräuchten viel mehr davon, damit endlich einmal echte Meinungsvielfalt herrscht, in der sich die Menschen auch wiederfinden können, ohne das Gefühl zu haben, daß hier etwas Manipulierendes mithineinspielt. Währet den Anfängen!

Bernd Wiese

Antwort von Stef Manzini

Lieber Bernd Wiese,

vielen Dank für Ihren Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe.
Tatsächlich hat Roland Biniossek über seine neue Mitgliedschaft in „die Basis“ die beiden BÜB+ Kollegen bereits im Frühjahr 2021 per Email informiert. Dies haben auch Kristin Müller-Hausser und Dirk Diestel damals bestätigt. Viel tiefer wollte ich aber in diesem Interview nicht auf die – immer noch - herrschenden Querelen zwischen den einstigen „Politik-Freunden“ eingehen. Denn dann hätte ich fairer Weise Kristin Müller-Hausser und Dirk Diestel auch die Gelegenheit geben müssen, sich dazu zu äußern.
Die stattzeitung.org freut sich im Übrigen über jede Stadträtin und jeden Stadtrat, gleich welcher politischen Färbung, die/der sich für die Belange aller Bürger unserer Stadt einsetzt.

Ganz herzlich,
Ihre Stef Manzini

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